Seele und Bild – was geht da?
Ist das visuelle Bild dem Sprachlichen voraus?
Werner MikusWas ist das Seelische? Es ist das jeweils Gleichnishafte an einer Sache. Wo finden wir es? Überall. Es ist universell. Es kann unsere Aufmerksamkeit aber auf verschiedene Weise erregen, über das Visuelle wie auch über das Begriffliche. Das wirksame Gleichnis outet sich! Wir müssen nur in einen echten Kontakt mit ihm treten. Gleichnis und Seelisches sind Eins. Im Seelischen herrscht nicht ein Verhältnis von Wahrheit und Abbild vor.
Auf ein solches Verhältnis aber hat sich die zeitgenössische Psychologie eingeschworen: Sie ist fixiert auf das Prinzip Wahrheit und Verfälschung derselben. Dabei schaut sie auf die Medien und bringt diese, den Gefahren nach, in eine Rangordnung. Das Visuelle erhält eine Auszeichnung und Sonderposition dabei, weil es auf die einfachen Verhältnisse im Seelischen zugeschnitten scheint. Man glaubt, es bringe uns direkter und näher an das Psychische heran – anders als das Wort es vermöge.
Mit dieser Rangordnung möchte die heutige Psychologie zum Ausdruck bringen, dass wir es im Seelischen mit einem „Ding an sich“ zu tun haben. Der Erkenntnis demonstrierende Hinweis, dass man keine Sache zu hundert Prozent, sondern immer nur annäherungsweise zu treffen vermag, kommt hinzu. Beides zusammen trägt dazu bei, unser Denken in der Ordnung einer Polarität gefangen zu halten: Danach gibt es die wahre Realität auf der einen und das bloße Abbild auf der anderen Seite.
Auf das Seelische bezogen, ist hierzu aber Folgendes festzustellen: Es gibt in der Natur des Seelischen kein Letztes wie das „Ding an sich“. Und somit kann es auch kein wahres oder falsches Abbild davon geben. Es gibt aber das *verlässlich Übertragbare*. Es ist das, was sich im Austausch über seine Stimmigkeit bewährt, jenseits von einem formalisierenden Richtig oder Falsch.