Immer die alten Gelehrten

Warum werden immer die alten Gelehrten herangezogen? Warum wird so gerne zitiert, was jemand vor langer Zeit schon schrieb? Und warum kommt das so gerne wie eine Ohrfeige herüber?

Gibt es den Mut zum eigenen Denken?
Bärbel Altwicker

Angestoßen durch verschiedenste Diskussionen, die ich im Netz las, regt sich in mir immer wieder heftiger Unmut. Ich verstehe nicht, warum immer wieder die Aussagen der alten Philosophen beispielsweise als Argumente auf den Tisch geknallt werden, auch wenn es um eventuell bekannte Fragen geht. Es wirkt auf mich wie eine Abwehr, eine alte Frage neu zu stellen. Aber warum sollte ich das nicht tun? Sollten wir das nicht tun?

Ich hatte, wie ich empfinde, das Glück, in einer Zeit aufzuwachsen, in der sich das Kritisieren als ein glücklicher Umstand herausstellte. Es war tatsächlich angesagt, nicht alles einfach hinzunehmen oder einfach zu glauben, sondern es war eine Herausforderung, sich quer zu stellen. Der Holocaust lag unseren Eltern und Großeltern im Magen und wir sollten diesen Fehler bitte nicht nochmal machen. Und ich fand das ein gutes Denken: Ja, sei kritisch! Frage nach, schaue hin, glaube nicht einfach!

Dass das nicht auf Dauer gutgehen würde, ist klar. Denn es ist unbequem. Und es verunsichert eben auch. Wenn man gerne zufrieden leben möchte, wäre es ja schön, wenn alles irgendwie glattlaufen würde. Da ist ein kritisches Hinschauen und Fragen ziemlich störend. Es reicht ja auch eigentlich, wenn man weiß, was so in der Welt alles passiert und sich rührt. Muss ich denn noch mehr daran rühren? Nein, das ist wirklich unbequem.

Und doch verwundert es mich heute mehr und mehr, dass ein kritisches Hinschauen und auch ein ganz eigenes Überlegen nicht nur nicht gewagt wird, sondern, dass dies auch noch auf heftige Gegenwehr stößt. Es scheint so, als wäre es eine schwere Last geworden, dem eigenem Denken seinen Raum zu geben.

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