Befreiung von der Fixierung auf ein vermeintliches Ungenügen

Die Suche nach dem Ungenügen des Partners in einer festen Beziehung kann zu einer dauerhaft unerfüllten Verbindung führen. Oft gibt das Gefühl, dass man selbst nicht genüge den Ton an und lenkt den Blick auf das vom Partner nicht Erfüllbare um. Die Beziehung kann sich so nicht weiterentwickeln, erst, wenn dies Im Zuge eines zunehmenden Selbstwertgefühls aufgegeben werden kann. Dann aber muss ein Ereignis stattfinden, das eine zuspitzende Benennung des Bemängelten zum Inhalt hat. Im beschriebenen Fall geschieht das über den Satz: „Er ist kein Familienmensch“. Über dieses „Beim-Namen-Nennen“ wird die negative Einschätzung ins Kippen gebracht.

Paradoxes Bemühen um die erfüllende Partnerschaft
Jennifer Eckert (mit Redaktion)

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So kam es, dass ich auch bei diesem Mann wieder zurück in mein altes Muster verfiel. Bevor ich mich mit mir und meiner Rolle in der Beziehung befasste, stand für mich fest: Mit Marc stimmt etwas nicht! Somit war der Schuldige für meine Traurigkeit gefunden. Die vermeintlichen Mängel von Marc wurden von mir als Störung in unserer Beziehung diagnostiziert und erklärten all unsere vermeintlichen Probleme. Folglich müsste Marc in eine Therapie, da ich vermutete, dass seelische Verletzungen aus seiner Kindheit ihn belasteten und er deshalb so radikal seine Privatsphäre schützt.

Ganz beiläufig lernte ich aber durch Marc eine Menge dazu. Er zeigte mir eine neue Art zu reisen. Roadtrips mit dem VW Bus durch Europa prägten die ersten Jahre unserer Beziehung. Ich liebte es und wurde viel offener für neue Dinge. Ich wurde spontaner und gelassener. Es war aber nicht nur das Reisen, dass ich neu lieben lernte. Sehr wichtig für mich und meine Weiterentwicklung war, dass ich durch Marcs häufige Abwesenheit förmlich gezwungen wurde, meine freie Zeit selbst zu gestalten. So kam ich wieder zum Lesen, beschäftigte mich mit Persönlichkeitsentwicklung, lernte Yoga und fing an zu meditieren. Allmählich verbrachte ich gerne Zeit mit mir selbst, wenn Marc angeln war.
Die Tatsache, dass ich durch Marc und seinen sturen Dickkopf so viel lernte, wurde von mir überhaupt nicht wahrgenommen. Ich bemerkte zwar meine persönlichen Fortschritte in meiner Entwicklungstherapie, aber das Gefühl von Traurigkeit bezüglich unserer Beziehung war immer noch präsent. Für mich stand weiterhin fest, dass Marc endlich seine Probleme bearbeiten muss. Nur dann würde meine Traurigkeit verschwinden.

Es vergingen einige Jahre. Inzwischen hatte ich mir selber therapeutische Hilfe gesucht und konnte meine seelischen Spielräume erweitern. In dieser Zeit wuchs der Wunsch, selber eine therapeutische Ausbildung zu machen. Meine Therapeutin hielt mich dafür geeignet und half mir, einen Ausbildungsplatz zu finden. Kaum hatte ich meine Ausbildung begonnen, trat das ein, was ich mir schon länger für meine Beziehung gewünscht hatte: ich wurde schwanger. Die Ausbildung wurde durch meine Schwangerschaft und die Geburt unserer Tochter aber nur geringfügig zeitlich unterbrochen.

Bildquellen

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