Befreiung von der Fixierung auf ein vermeintliches Ungenügen

Die Suche nach dem Ungenügen des Partners in einer festen Beziehung kann zu einer dauerhaft unerfüllten Verbindung führen. Oft gibt das Gefühl, dass man selbst nicht genüge den Ton an und lenkt den Blick auf das vom Partner nicht Erfüllbare um. Die Beziehung kann sich so nicht weiterentwickeln, erst, wenn dies Im Zuge eines zunehmenden Selbstwertgefühls aufgegeben werden kann. Dann aber muss ein Ereignis stattfinden, das eine zuspitzende Benennung des Bemängelten zum Inhalt hat. Im beschriebenen Fall geschieht das über den Satz: „Er ist kein Familienmensch“. Über dieses „Beim-Namen-Nennen“ wird die negative Einschätzung ins Kippen gebracht.

Paradoxes Bemühen um die erfüllende Partnerschaft
Jennifer Eckert (mit Redaktion)

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Meine Selbstsicherheit nahm in dieser Zeit zu. Der Traurigkeit und dem immer noch vorhandenen Gefühl meines Ungenügens stellten sich mehr und mehr positive Erfahrungen entgegen. Ein besonderer Wunsch konnte in Erfüllung gehen (Schwangerschaft) und das Versprechen, zu einer therapeutischen Weiterbildung befähigt zu sein, erwies sich als einlösbar. In der Eigenanalyse während meiner Weiterbildungszeit kamen sehr bald auch meine Traurigkeit und die unerfüllten Erwartungen an meinen Partner auf den Tisch. Wir fanden eine Überschrift für alles das, was mir an ihm fehlte: Marc ist kein Familienmensch! Dies hatte eine große Wirkung auf das weitere Geschehen. Die negative Bezeichnung „Nichtfamilienmensch“ brachte mit einem Schlag alle nichterfüllten und von ihm auch kaum erfüllbaren Erwartungen in ein Bild. Ich hatte mich also die ganzen Jahre auf sein Unvermögen fokussiert, meine Erwartungen an den zukünftigen Ehemann erfüllen zu können. Sein Ungenügen existierte für mich in einer langen Liste von Eigenschaften, die ihm hierzu fehlten.

Die Erkenntnis, dass er vielleicht schlicht und einfach kein Familienmensch sei, brachte meinen bisherigen Blick in eine Position, die unversehens zu einem Umkippen der Gefühlslage führte. Geht es mir denn wirklich um den Familienmenschen? Durch die Betitelung war ich bereit, auf die andere Seite der Medaille zu schauen. Ich kam zu meiner anfänglichen Frage zurück. Was hält mich bei Marc und warum sind wir zusammen? Jetzt konnte ich wieder deutlicher spüren, was bereits die ganze Zeit da war, das „Australien-Gefühl“. Nun konnte ich wieder mit anderen Augen auf unsere Beziehung schauen. Unsere Beziehung zeichnet sich aus als außergewöhnliche Lebenspartnerschaft mit Kind! Diese positive Bezeichnung für unsere Beziehung ließ mich aufatmen. Der Zwang, Marc als Nicht-Familienmensch zu sehen, fiel weg. Eine Heirat hatte keine Dominanz mehr und die vermeintliche Störung in unserer Beziehung löste sich in Luft auf. Was wir haben ist etwas ganz Besonderes, etwas Außergewöhnliches, das in keine Beziehungsschublade passt.

Jennifer Eckert
Redaktion: Bärbel Altwicker, Markus Buschkotte, Werner Mikus, Jutta Sauermann, Maria Skoubridou und Julia Wiesner-Koch.

Bildquellen

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