Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Die Welt hat sich verändert, mit einem Schlag. Die politische Atmosphäre in ihr ist spürbar eine andere geworden und das wohl unumkehrbar. Die Weltgemeinschaft hat es mit dem Abwehrkampf eines untergehenden Geschäftsführungsmodells zu tun, was sich mit militärischen Mitteln und Erpressungen wie in einem letzten Kampf gegen ein Versagen desselben aufbäumt und dabei skrupellos vorgeht. Das Märchen "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen" macht in diesem Zusammenhang vieles klar.

Weltgemeinschaft und Ukrainekrieg
Werner Mikus

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Ein Blick ins Zentrum der schwer überschaubaren Bedrohungslage

Vor etwa 30 Jahren wurde offiziell die Sowjetunion und damit ein Imperium aufgelöst. Die Erschütterungen dieser Auflösung enthalten einige Gefahren. Eine Welle von Umbrüchen sind in einem solchen Fall zu erwarten. Die Weltgemeinschaft müsste sich auf diese Erschütterungen einstellen. Hat sie das getan oder ist hier ein nebliges Durcheinander entstanden, das wie in dem Märchen ein genaues Eingehen auf das Bedrohliche mehr oder weniger gründlich verhindert hat?

Was wir erst bei genauerem Hinsehen merken, ist, dass es gar nicht um den Untergang einer Zivilisation oder eines Kulturraums geht, sondern um den Untergang von etwas anderem: Es geht um den Untergang eines Geschäftsführungsmodells und um ein letztes Aufbäumen des selben gegen seinen Untergang. Dieses Geschäftsführungsmodell war in der Lage gewesen, ein aus 85 Teilstaaten bestehendes binnenkoloniales und nach dem Untergang des Zarenreichs herrenlos gewordenes Imperium zusammenzuhalten und zusätzlich, mit Gründung der Sowjetunion (1922), zunächst erst vier und insgesamt noch vierzehn weitere Länder staatlich einzubinden.
Es handelt sich hierbei um ein kader- und parteibasiertes Regierungsmodell, welches seine Inkarnation im sogenannten Kreml hat, da, wo die Fäden zusammenlaufen.

Dieses Geschäftsführungsmodell steht nun selbst seinem Untergang gegenüber, seit sich nämlich die Sowjetunion aufgelöst und die 14 mit der Russischen Föderation bis dahin verbundenen Unionsstaaten nach und nach in die Unabhängigkeit gegangen sind (Litauen hatte sich schon im März 1990 für unabhängig erklärt, Lettland und Estland folgten im Mai 1990 provisorisch, im August 1991 endgültig. 1991 folgte schon im April Georgien, dann im August die Ukraine, Belarus, Moldau und Kirgisistan. Im September folgten Usbekistan, Tadschikistan und Armenien, im Oktober Aserbaidschan und Turkmenistan, im Dezember schließlich Kasachstan).

Man konnte ein letztes Aufbäumen gegen diesen Untergang beobachten: Russland hatte sich zum alleinigen Erbberechtigten an der Sowjetunion erklärt und so den Sitz im Uno-Sicherheitsrat mit Vetorecht erhalten sowie auch die Atomwaffen der Unionsstaaten (Beispiel: Ukraine). Gleichzeitig hatte es den Versuch gemacht, die ehemaligen Unionsstaaten in einen Nachfolgebund hinein zu verpflichten, in dem es darum gehen sollte, sich gegenseitig eine wirtschaftliche und militärische Unterstützung zu gewähren, natürlich unter der Führung Russlands (Gründung der GUS-Staaten).

Die drei Baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland hatten sich von Anfang an nicht in die neue Verbindung (GUS) eingliedern lassen. Und weil 2008 Georgien und 2014 die Ukraine ausgestiegen sind, gehören heute nur noch zehn der ehemaligen Unionsstaaten diesem, von der Russischen Föderation dominierten Nachfolgebündnis an.

Die Methode der Beherrschung des Bundes funktionierte nach der Auflösung der Sowjetunion zunehmend weniger. Das bewährte Geschäftsführungsmodell ließ sich nicht mehr auf die neuen Verhältnisse anwenden, weil die revolutionäre und weltverbessernde Ideologie einer kommunistischen Partei jetzt fehlte, um die alte enge Bindung untereinander und an die Zentrale rechtfertigen zu können. Wenigstens musste ein neues Feindbild gefunden werden. So entstand schließlich das Bild von einem wachstumshungrigen und mit faschistischen Kräften paktierenden Westen. Und von diesem wurde auch ausgiebig Gebrauch gemacht.

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